Zur Gesunderhaltung des Auges gehört unter anderem auch ein normaler Augendruck, welcher eine stabile Form des Augapfels garantiert. Zu diesem Zweck wird im so genannten Strahlenkörper fortwährend Kammerwasser produziert, welches durch die Pupille in die vordere Augenkammer hinter der Hornhaut fliesst. Diese Flüssigkeit verlässt das Auge im Kammerwinkel, der durch die Hornhaut und die Iris gebildet wird. Die Struktur dieses Kammerwinkels ist einer der wesentlichen Unterschiede zwischen Mensch und Tier. Der Kammerwinkel wird von feinen Gewebebälkchen überspannt, dem sogenannten Ligamentum pectinatum. Zwischen diesen Gewebebälkchen hindurch fliesst das Kammerwasser in die Ziliarkluft und gelangt von da zurück in die Blutbahn. Der normale Augendruck verlangt nach einer kontinuierlichen Produktion und einem regelmässigen Abfluss des Kammerwassers.
Bei vielen Hunderassen sind vererbte Veränderungen des Kammerwinkels bekannt. Bei einigen Hunderassen verhält sich diese abnormale Veränderung progressiv und kann im Laufe des Lebens zu einem Glaukom führen.
Der Kammerwinkel ist von aussen nicht einsehbar. Selbst mit einer Spaltlampe ist dieser Teil des Auges nicht einzusehen. Nur mit einem direkt aufs Auge aufgelegten Kontaktglas kann der Kammerwinkel untersucht werden. Diese Untersuchung nennt man Gonioskopie. Dabei wird neben der Öffnung des Kammerwinkels auch die Struktur und Beschaffenheit der Gewebebälkchen (Ligamentum pectinatum) untersucht. Im Normalfall ist der Kammerwinkel weit geöffnet und die Gewebebälkchen sind ganz dünn und stehen relativ weit auseinander. Eine milde Form der Goniodysplasie äussert sich durch verdickte Gewebebälkchen, welche nahe beisammen stehen. Man spricht dann von Fibrae latae (Lateinisch: Breite Fasern). Eine ausgeprägtere Form der Abnormalität des Kammerwinkels äussert sich durch Abschnitte des Kammerwinkels, in denen keine Gewebebälkchen mehr zu erkenne sind, sondern der Kammerwinkel von einem durchgehenden Gewebeband überspannt wird, worin einzelne kleine Löcher zu erkennen sind. Man spricht von Laminae (Lateinisch: Platte, Scheibe). In schlimmen Fällen ist der Kammerwinkel sehr eng und durchgehend von Gewebebändern durchzogen. Man spricht in diesem
Fall von Occlusio (Lateinisch: Verschluss)
Bei keiner der betroffenen Rassen ist der genaue Erbgang bekannt, ob schon die Erblichkeit als sicher gilt. Es ist auch anzunehmen, dass bei einer komplexen Struktur wie dem Kammerwinkel auch ein komplexer Vererbungsmodus vorliegt. Nur beim Beagle wurde die zugrunde liegende Mutation gefunden und ein Gen-Test entwickelt.
Man kann davon ausgehen, dass die überwiegende Mehrzahl der Hunde mit einer Form der Kammerwinkelabnormalität keine Probleme haben werden. Eine Minderheit betroffener Hunde erleidet aber ein so genanntes Glaukom, auch grüner Star genannt. Dabei kommt der Abfluss des Kammerwassers zum Erliegen und der Augendruck steigt abrupt an. Der erhöhte Augendruck schädigt relativ rasch die Netzhaut und den Sehnerven, so dass betroffene Hunde rasch erblinden. Leider lässt sich aufgrund der Gonioskopie (siehe oben) nicht voraussagen welche der betroffenen Hunde später auch tatsächlich ein Glaukom entwickeln werden. Für den Tierbesitzer ist das Glaukom eine dramatische Erkrankung. Betroffene Augen sind im akuten Stadium sehr schmerzhaft, sie werden stark getrübt, die Pupille wird ganz weit und der Hund sieht plötzlich nichts mehr. Mit andauernd stark erhöhtem Augendruck wird das Auge immer grösser.
Selbst bei rascher Diagnose und Therapie bleiben die meisten Hunde blind oder erblinden trotz Behandlung zu einem späteren Zeitpunkt, da es sich um einen progressiven Widerstand im Abflussbereich des Kammerwassers handelt. Mit verschiedenen Medikamenten wird versucht, den Augendruck zu senken. Auch mit unterschiedlichen chirurgischen Verfahren wird versucht, die Kammerwasserproduktion zu reduzieren, bzw. den –abfluss zu verbessern. Leider sind die Resultate dieser Therapieansätze langfristig eher vorsichtig bis schlecht.
Aus diesem Grund ist es wichtig, dass bei prädisponierten Hunderassen eine Gonioskopie alle 3 Jahre durchgeführt wird.
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